Swisstransplant treibt den Fortschritt der Organspende und der Transplantationsmedizin an

Swisstransplant setzt auf Innovationen: Sie digitalisiert die Prozesse der Organspende und Transplantation und baut den Einsatz von Perfusionstechniken aus. Und einzigartige Prognosemodelle für Menschen auf der Organ-Warteliste liefern statistische Voraussagen zu Wartezeiten und Überlebenschancen bei Transplantation.

Nachfolgend finden Sie Ausführungen zu folgenden Innovationen:

A) Mehr Organspenden dank Donor Evaluation Tool (DET)
B) Perfusion mit OCS: höhere Chancen auf ein passendes Organ
C) Effizienz von Organspenden im internationalen Vergleich (DCI)
D) Prognosemodelle schätzen neu individuellen Transplantationserfolg ein

A) Mehr Organspenden dank Donor Evaluation Tool

Das Donor Evaluation Tool (DET) erlaubt im Spitalalltag eine schnelle medizinische Einschätzung durch die Medical Advisor von Swisstransplant.

Das Donor Evaluation Tool hat seit der Einführung 2022 wesentlich zur Erhöhung der Organspenden beigetragen. Das Onlinetool ermöglicht den Teams auf den Intensivstationen die rasche und anonyme Vorabklärung bei Swisstransplant, ob eine Organspende aus medizinischen Gründen überhaupt möglich oder ausgeschlossen ist. Es gibt nur sehr wenige medizinische Ausschlussgründe für eine Organspende. Die meisten Unsicherheiten bestehen, wenn ein bösartiger Tumor, ein Infekt, hohes Alter oder Mehrfacherkrankungen vorliegen.

Zeitnahe Abklärung erhöht Anzahl Organspenden
Beispielsweise stellt ein Prostatakarzinom kein Ausschlusskriterium für eine Organspende dar. Zudem sind die Transplantationszentren bereit, gewisse Zusatzrisiken einzugehen, wenn eine Patientin oder ein Patient auf der Warteliste dringend auf ein lebensrettendes Organ angewiesen ist und ohne dieses versterben würde. In den drei ersten Quartalen 2024 wurden 144 mögliche Organspenderinnen und Organspender ins Donor Evaluation Tool eingegeben, um zu prüfen, ob sie medizinisch für eine Organspende in Frage kommen. Die Expertise durch einen der 3 Medical Advisors von Swisstransplant ergab, dass sich davon zwei Drittel, 98 Personen, zur Organspende eignen. Von diesen 98 Personen konnte letztlich die Hälfte, also 54 Personen, effektiv als Organspenderin oder Organspender erfasst werden.

B) Perfusion mit OCS: höhere Chancen auf ein passendes Organ

Die maschinelle Versorgung von Spendeorganen ausserhalb des Körpers gehört immer mehr zum Standard in der Schweizer Transplantationsmedizin und schenkt wertvolle Minuten.

Neu gibt es auch für das Herz Perfusionsmaschinen, die das Spendeorgan auf dem Transport mit Blut und Sauerstoff bedienen. In einem nächsten Meilenstein wird angestrebt, mittels Perfusion sogar die Qualität der Spendeorgane zu optimieren.

PD Dr. Franz Immer
«Wenn mehr Zeit zur Verfügung steht, erhöhen wir den Radius, um das Spendeorgan der genau passenden Person auf der Warteliste zu transplantieren. Jede Stunde ist wertvoll.»

Durch das maschinelle Perfundieren von Nieren, Leber und Lunge gelingt es heute, die kurze Zeitspanne zwischen Organentnahme und Transplantation zu verlängern. Seit Kurzem werden in der Schweiz ebenfalls gewisse Herztransplantationen nach vorgängiger Ex-vivo-Herzperfusion durchgeführt. Diese komplexe Technik namens Organ Care System (OCS) ermöglicht die Herzfunktion ausserhalb des Körpers zu erhalten, was die Beurteilung des Organs erleichtert und die Zeitspanne zwischen Organentnahme und Transplantation verlängert. Denn die maximal tolerierte Ischämiezeit mit herkömmlicher kalter Lagerung beträgt beim Herz nur gerade 4 Stunden. Die innovative Technik erlaubt es auch, die Funktion der Herzen von Organspendenden im Hirntod nach Herz-Kreislauf-Stillstand (DCD) detaillierter zu beurteilen.

Organoptimierung ausserhalb des Körpers
Swisstransplant arbeitet zusammen mit Expertinnen und Experten daran, diese Perfusionstechnik vermehrt auch bei anderen Spendeorganen einzusetzen. Das Ziel lautet wie beim Herz, mehr Zeit zwischen Organentnahme und Transplantation zu gewinnen und so auch längere Transportwege möglich zu machen. «Wenn mehr Zeit zur Verfügung steht, erhöhen wir den Radius, um das Spendeorgan der genau passenden Person auf der Warteliste zu transplantieren. Jede Stunde ist wertvoll», so Franz Immer. «Unsere Vision ist es, zusätzlich zur gewonnenen Zeit auch die Evaluation der allozierten Organe zu verfeinern und in naher Zukunft sogar eine Erholung oder sogar Qualitätsoptimierung der Organe auf der Perfusionsmaschine umzusetzen. Das ist sehr ambitioniert – wir schöpfen alle Möglichkeiten aus, um den Menschen auf der Warteliste zu helfen.»

C) Effizienz von Organspenden im internationalen Vergleich

Beim Donor Conversion Index (DCI) schneidet die Schweiz deutlich besser ab als bei der Organspenderate durch verstorbene Personen pro Million Einwohnende.

Der DCI veranschaulicht, wie effizient das Organspendewesen in der Schweiz aufgestellt ist: Swisstransplant hat eine neue Berechnungsmethode entwickelt, in dem die Anzahl organspendender Personen nicht ins Verhältnis zur gesamten Bevölkerung gesetzt wird, sondern zu den «relevanten Todesfällen». Gemeint sind Todesfälle, bei der eine Organspende aus medizinischer Sicht auf der Intensivstation eines Entnahmespitals überhaupt möglich ist, beispielsweise nach einem Sauerstoffmangel, einer Hirnblutung, einem Hirnschlag oder einem Schädel-Hirn-Trauma. Der Donor Conversion Index eignet sich vor allem für den Vergleich der Organspendeaktivität von verschiedenen Ländern, da nicht alle Länder gleich viele relevante Todesfälle haben – dies vor allem weil präventive Massnahmen die Risiken gewisser Todesfälle deutlich reduzieren können. Dem DCI zufolge hat die Schweiz in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt und liegt heute im Bereich von Frankreich. Damit hat die Schweiz Länder wie Italien und Österreich überholt, obwohl die Ablehnungsrate bei uns mit fast 60 % deutlich höher liegt als in den Nachbarländern. Dies bedeutet, dass die Schweizer Intensivstationen heute mögliche Organspenderinnen und Organspender erkennen und die Frage nach der Organspende gestellt wird.

D) Prognosemodelle schätzen neu individuellen Transplantationserfolg ein

Mit hochkomplexer statistischer Datenanalyse ist es Swisstransplant gelungen, wegweisende Prognosemodelle für Chancen, Risiken und Wartezeiten zu lancieren.

Swisstransplant entwickelt mit statistischer Datenanalyse Prognosemodelle, die den Transplantationserfolg abschätzen. Die Modelle dienen Ärztinnen und Ärzten als Entscheidungshilfe zum Zeitpunkt der Organzuteilung. In Zukunft verfeinern sie die Beurteilung, ob ein Spendeorgan für eine Patientin oder einen Patienten akzeptiert werden soll oder ein zu hohes Risiko darstellt. Die Prognosemodelle werden als digitale Tools bereitgestellt und ergänzen das Expertenwissen und die Erfahrungen der Fachleute, indem sie Daten aller bisher in der Schweiz transplantierten Personen berücksichtigen, um eine möglichst genaue Vorhersage und Risikoeinschätzung zu machen. Projekte laufen zurzeit bei der Niere und bei der Leber.

Wie lange warten auf ein Spendeorgan?
Für die Abschätzung der Wartezeit auf ein Spendeorgan hat Swisstransplant ein Prognosemodell namens WAIT sowie einen neuen Indikator entwickelt, die «median time to transplantation» (MTT). Mit dessen Hilfe lassen sich die Wartezeiten genauer abschätzen und die Wahrscheinlichkeit auf Transplantation und das Sterberisiko auf der Warteliste können angegeben werden. Im Prognosemodell werden nicht nur – wie bis anhin – transplantierte Patientinnen und Patienten berücksichtigt, sondern alle Patientinnen und Patienten auf der Warteliste. In einem nächsten Schritt kann das Modell weiterentwickelt werden und für individuelle Prognosen verwendet werden, zum Beispiel unter Einbezug von Alter, Geschlecht, Blutgruppe, Gewicht usw. Franz Immer: «Auf dieser Grundlage können wir nun aufbauen und als nächstes individuelle Schätzungen machen, beispielsweise wie lange eine Person auf der Herz-Warteliste mit Blutgruppe A, weiblich und einem Gewicht von 65 kg auf ein Spendeherz wartet.»