«Jede Person sollte sich mit der Organspende auseinandersetzen, egal ob sie sich dafür oder dagegen entscheidet»

Für die aktuelle Kampagne von Swisstransplant haben wir uns mit verschiedenen Betroffenen getroffen. Sie sind die Gesichter von «Ich lebe jetzt. Ich entscheide jetzt.» und sie lassen uns an ihrer Geschichte teilhaben. Eine dieser Lebensgeschichten ist die von Baavalan.

Als Baavalan zur Welt kam, waren seine Augen gelb verfärbt. Das ist an sich kein Grund zur Beunruhigung. Die sogenannte Hyperbilirubinämie – wenn das Bilirubin, ein Abbauprodukt des Hämoglobins, nicht rasch genug über die Leber ausgeschieden werden kann und sich deshalb im Blut anreichert – tritt bei mehr als der Hälfte der Säuglinge in den ersten Tagen nach der Geburt auf. Anders als bei vielen anderen Neugeborenen, verschwanden die gelben Augen bei Baavalan nicht. Eine Untersuchung ergab, dass er an einem Gendefekt leidet, der eine schwere Funktionsstörung der Leber zur Folge hatte.

Baavalan sitzt aufrecht da, das schwarze Haar fällt gewellt auf seine Schultern, sein Blick ist wach, die Stimme tief und der Anflug eines Lächelns umspielt seine Lippen. Auf meine Fragen antwortet er klar und ohne Ausschmückungen. Nichts deutet darauf hin, dass der 34-Jährige als Kind eine Spendeleber gebraucht hat. Nur die grosse Narbe, die beim Wechseln des T-Shirts beim Fotoshooting kurz sichtbar wird, deutet auf seine Krankheitsgeschichte hin. Drei lange Linien ziehen sich über seinen Oberkörper und treffen sich in der Mitte des Bauchs. «Mein Mercedes-Stern», sagt Baavalan und lacht laut.

Auf seine Kindheit blickt Baavalan pragmatisch zurück: «Ich habe mich als Kind trotz der Diagnose nie krank oder eingeschränkt gefühlt.» Seinen Alltag prägte sie dennoch stark. Damit Baavalans Blutwerte unter Kontrolle blieben, musste er jede Nacht sechs bis acht Stunden unter künstlichem Licht schlafen. Rasch war klar, dass seine Lebensqualität und Lebenserwartung ohne ein Spendeorgan stark eingeschränkt werden würden. Mit acht Jahren kam Baavalan deshalb auf die Warteliste. Nach einem Jahr erhielt die Familie die ersehnte Nachricht, dass ein Organ für Baavalan verfügbar sei. Heute, 25 Jahre später, kann sich Baavalan sehr genau an diesen Moment erinnern. Um 23:00 Uhr klingelte der Pager. Am Telefon war das Schweizerische Kinderleberzentrum des Universitätsspitals Genf (HUG). Die Ambulanz brachte Baavalan und seine Eltern kurz darauf mit der Ambulanz nach Genf. «Auf der Fahrt habe ich mich ganz okay gefühlt. Als ich dann in den Operationssaal gebracht wurde, war da schon ein Gefühl der Angst und Ungewissheit.» Zum grossen Glück der Familie verlief die Lebertransplantation erfolgreich.

Hier und Jetzt

Nach der Transplantation normalisierte sich die Situation der Familie zunächst nur langsam. Baavalan musste sich von dem grossen Eingriff erholen und konnte aufgrund der Immunsuppression vorerst noch nicht unter Leute. Die Besserung kam Schritt für Schritt. Die sechs Röhrenlampen über seinem Bett montierten seine Eltern ab und die Familie konnte endlich in die Ferien fahren. Bei dieser Erinnerung lächelt Baavalan und lässt die Erleichterung erahnen, die die Familie damals gefühlt haben muss.

Heute lebt Baavalan selbstverständlich mit dem Spendeorgan. Er ist dankbar dafür, dass er als Kind eine neue Leber erhalten hat, die Spende ist für ihn in seinem Alltag jedoch nicht Thema. Der Fokus scheint vielmehr auf dem Hier und Jetzt zu sein. Baavalan ist aktiv, spielt gerne Basketball, mag Serien und American Football. «Wenn ich Zeit dafür finde», Baavalan lacht. Vor vier Jahren hat er erfolgreich das Medizinstudium abgeschlossen und arbeitet als Assistenzarzt auf der Radiologie am Inselspital Bern. «Die Zeit, die ich als Kind im Spital verbracht habe und die gute Erfahrung mit meinen Ärztinnen und Ärzten haben sicher zu meiner Berufswahl beigetragen», so Baavalan.

Das Thema der Organspende ist für Baavalan wichtig.

Baavalan
«Jede Person sollte sich mit der Organspende auseinandersetzen, egal ob sie sich dafür oder dagegen entscheidet. Dieser Entscheid darf nicht abgegeben werden. Einerseits aufgrund der Belastung der Angehörigen, anderseits weil die Möglichkeit besteht, dass sie nicht in meinem Sinn entscheiden.»

Interview und Redaktion: Paula Steck